Der Vorschlag unter dem Titel „Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter“ der Europäischen Kommission bringt erhebliche Änderungen bei der umsatzsteuerlichen Behandlung der Plattformwirtschaft in Bezug auf Anbieter von kurzfristigen Beherbergungsleistungen (bis max. 45 Tage) und Personenbeförderungsdienstleistungen mit sich.
Umsatzsteuerliche Behandlung der Plattformwirtschaft
An dieser Stelle sei angemerkt, dass sich die „umsatzsteuerliche Behandlung der Plattformwirtschaft“ nur auf die Erbringung bestimmter Dienstleistungen über eine Plattform bezieht. Zusätzlich gibt es eine Reihe von E-Commerce-Regeln im Zusammenhang mit dem Anbieten von Waren über Plattformen.[VM1] [CL2]
Der Vormarsch des Geschäftsmodells der Plattformwirtschaft hat das Umsatzsteuersystem vor neue Herausforderungen gestellt. Nach Ansicht der EU-Kommission gehört zu diesen Problemen auch die Ungleichheit bei der umsatzsteuerlichen Behandlung, die beispielsweise im Zusammenhang mit folgenden Punkten auftritt:
- Beim Modell der Beherbergungsplattform, das aus Sicht der EU-Kommission im direkten Wettbewerb zum Vertriebsmodell der Hotelbranche steht
- Beim Modell der Beförderungsplattformen, das aus Sicht der EU-Kommission im direkten Wettbewerb zu privaten Taxiunternehmen steht
Die aus Sicht der EU empfundene Wettbewerbsverzerrung lässt sich besser nachvollziehen, wenn man sich einmal den Bericht der Europäischen Kommission zur Folgenabschätzung ansieht. Der Bericht beschreibt die zunehmende Bedeutung der Plattformwirtschaft für die Umsatzsteuererhebung und erläutert die Studien, die durchgeführt wurden, um zu ermitteln, an welchen Stellen die EU-Kommission Maßnahmen ergreifen muss.
In Zahlen ausgedrückt wird der Wert der Umsatzsteuereinnahmen aus dem digitalen Plattformökosystem für die Mitgliedstaaten auf etwa 25,7 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt, entspricht also 2,6 Prozent der gesamten Umsatzsteuereinnahmen.
Umfang der Geschäftstätigkeit der Plattformwirtschaft nach Branchen (EU27, Angaben in Milliarden Euro, 2019)
Branche | Umsatz der digitalen Plattformen (EU27) | Umsatz der digitalen Anbieter (EU27) | Ökosystemwert (EU27) |
Beherbergungsgewerbe | 6,3 | 36,9 | 43,2 |
Transportwesen | 7,2 | 31 | 38,2 |
E-Commerce | 16,6 | 93,8 | 110,4 |
Quelle: Auszug aus dem „Commission Staff Working Document Impact Assessment Report“, Seite 26
Der Gesamtwert der Umsatzsteuereinnamen umfasst 3,7 Milliarden Euro im Zusammenhang mit Beherbergungsleistungen und 3,1 Milliarden Euro im Zusammenhang mit Beförderungsdienstleistungen.In diesen beiden Sektoren können Privatpersonen und kleine Unternehmen (d. h. die entsprechenden Anbieter) ihre Dienstleistungen umsatzsteuerfrei (d. h. ohne Abrechnung von Umsatzsteuer) über eine Plattform erbringen. Aufgrund der Skalen- und Netzwerkeffekte können diese Unternehmen in direktem Wettbewerb mit den traditionellen Anbietern stehen, die umsatzsteuerlich erfasst sind.
Unter Berücksichtigung der unterstützenden Studie kann der Anteil der betroffenen Anbieter, die nicht umsatzsteuerlich erfasst sind, je nach Art der Plattform bei bis zu 70 % liegen.
In der Beherbergungsbranche beispielsweise nutzen mehr als 50 % der Nutzer einer bestimmten Beherbergungsplattform gezielt das Angebot der Plattform statt eines traditionellen Hotels. In Europa können die Kosten für über diese Beherberungsplattform gebuchte Unterkünfte im Durchschnitt etwa 8 % bis 17 % unter den durchschnittlichen Tagespreisen eines Hotels in der entsprechenden Region liegen.
Nach Ansicht der Europäischen Kommission bedeutet dies eine Verzerrung des Wettbewerbs in Bezug auf gleichartige Dienstleistungen, die über verschiedene Kanäle angeboten werden.
Die umsatzsteuerliche Behandlung der Vermittlungsleistung
Die Klärung der Art der von der Plattform angebotenen Dienstleistungen war die Maßnahme, die über alle Interessengruppen hinweg die meiste Unterstützung fand.
In einigen Mitgliedstaaten wird die von der Plattform erbrachte Vermittlungsleistung als elektronisch erbrachte Dienstleistung behandelt, wohingegen sie in anderen Mitgliedsstaaten als zwischengeschaltete Anbieter betrachtet wird.
Dies ist relevant, da sich dadurch Unterschiede in Bezug auf den Ort der Leistungserbringung ergeben können, was wiederum zu einer Doppel- oder Nichtbesteuerung führen kann. Daher ist es notwendig, diese Regelungen zu präzisieren.
Dem Vorschlag zufolge sollte der von einer Plattform erbrachte Vermittlungsdienst (wobei der Begriff „Vermittlung“ auch kurzfristige Beherbergungsleistungen sowie Personenbeförderungsdienstleistungen umfasst) als zwischengeschalteter Anbieter (Artikel 46a zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG) angesehen werden. Dies ermöglicht eine einheitliche Anwendung der Regelung des Leistungsorts für die Vermittlungsleistung.
Dies hat zwar keine Auswirkungen auf die bestehenden Vorschriften, wenn die Bereitstellung der Leistung zwischen zwei Unternehmen („B2B“) erfolgt. Anders verhält es sich jedoch beim B2C-Angebot. In diesem Szenario wird nun der Ort, an dem die zugrunde liegende Transaktion stattfindet, zum Ort der Leistungserbringung.
Wie wird der Richtlinienvorschlag „Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter“ den Status quo verändern?
Der Europäischen Kommission zufolge besteht das Hauptproblem im Zusammenhang mit der Plattformwirtschaft darin, dass der aktuelle rechtliche Rahmen in Bezug auf die Umsatzsteuer nicht geeignet ist, um mit Blick auf traditionelle Anbieter für gleiche Wettbewerbsbedingungen zu sorgen. Dies gilt insbesondere im Transportwesen und in der Beherbergungsbranche. Die erbrachte Leistung der kleinen Anbieter, die ihre Dienste über eine Plattform bereitstellen, wird nicht besteuert und die von den Plattformen erbrachten Vermittlungsleistungen werden in den verschiedenen Mitgliedsstaaten unterschiedlich besteuert. Dies führt zu Schwierigkeiten für Plattformen, Leistungserbringer und Mitgliedstaaten.
Die Einführung eines Modells der „fiktiven Lieferer“ wird diese Probleme lösen, indem Plattformen die Umsatzsteuer für die zugrunde liegende Leistung berechnen, wenn der Anbieter keine Umsatzsteuer in Rechnung stellt. Dieses Modell gewährleistet die Gleichbehandlung der digitalen und der traditionellen Branche für kurzfristige Beherbergungsdienste und Personenbeförderungsdienstleistungen.
Darüber hinaus soll die Behandlung der Vermittlungsleistung geklärt werden, um eine einheitliche Anwendung der Vorschriften in Bezug auf den Ort der Leistungserbringung zu ermöglichen, und es werden Schritte unternommen, um die Übermittlung von Informationen von der Plattform an die Mitgliedstaaten zu harmonisieren.
In Bezug auf die zeitliche Planung bleibt festzuhalten, dass die vorgeschlagenen Regeln zur Plattformwirtschaft im Jahr 2025 in Kraft treten werden. Es bleibt also nur wenig Zeit, um alle für die Einhaltung der Regelungen erforderlichen Änderungen vorzunehmen. Folglich müssen sich die Plattformen so bald wie möglich mit dieser Thematik befassen.
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